Achtung Kapodaster!

Der Kapodaster ist viel mehr als nur ein Hilfsmittel für Anfänger, die mit Barréakkorden Schwierigkeiten haben. Er ist ein Klangverbesserer und ein Kreativwerkzeug für fortgeschrittene Spieler. Und auch für Anfänger ist er mehr als nur ein Transpositionswerkzeug.    

Am Flughafen Berlin-Schönefeld wurde ich im Zuge einer kleinen Flugreise letztens aufgefordert, mein Handgepäck auszupacken. Grund war ein Gegenstand, der den Sicherheitsbeamten unbekannt war: Ein Zangen-Kapodaster. Ich hatte vergessen, ihn ins Fluggepäck zu legen, denn mir war im Vorfeld schon klar, dass so ein pistolenähnliches Gerät zu Problemen in der Sicherheitskontrolle führen kann. Die Beamten ließen sich erklären, wofür der Kapodaster gebraucht wird, glaubten es und ließen mich gewähren.

Man kann dem Sicherheitspersonal sein Unwissen nicht verübeln. Aber für mich ist es ein Aufhänger, darüber nachzudenken, wie Gitarristen zu diesem Gegenstand stehen. Ich selbst habe bis vor ein paar Jahren gedacht, dass ein Kapodaster für Anfänger gedacht ist, die Schwierigkeiten mit Barrégriffen haben. Tatsächlich trifft man den Kapodaster fast immer nur bei Singer/Songwritern an. Für Sänger kann ein Halbton höher oder tiefer für das Erreichen des Tonumfangs und den Klang ihrer Stimme entscheidend sein. Dabei kommen Tonarten ins Spiel, die Gitarristen meiden. Ein versierter Gitarrist hat nicht direkt Angst vor Tonarten wie F-Dur oder Bb-Dur. Er spielt barré und ab und an finden sich auch in diesen Tonarten Leersaitenvoicings. Dass ein E-Gitarrist einer Band mit Kapodaster spielt, sieht man jedenfalls selten. Sind Stolz und Eitelkeit der Grund?
Wie gesagt, ich selbst habe den Kapodaster immer mit Verachtung gestraft, weil er mir wie eine Krücke vorkam. Doch genau das stimmt nicht. Klanglich und spielerisch gesehen macht es einen großen Unterschied, ob Leersaiten (durch Kapodaster verändert) verwendet werden oder nicht. Ich behaupte, dass ein mit einem Kapodaster befestigter Ton stabiler und länger klingt, als ein mit Finger gegriffener.

Der Kapodaster für den Anfänger

Der Kapodaster ist nützlich für den Anfänger. Hauptsächlich in zweierlei Hinsicht.

Erstens: Man kann mit dem Kapodaster Barréakkorde ganz oder teilweise vermeiden. In der Tonart G-Dur kommt man bis auf die Dominantparallele (Hm) in der Regel mit Leersaitenakkorden aus. Die Tonarten D-Dur und A-Dur folgen in der Barréhäufigkeit der Stufenakkorde und Zwischendominanten. So kann man sich je nach Bedarf mit dem Kapodaster durch sämtliche Tonarten hangeln, ohne im Laufe eines Stückes infolge vieler Barréakkorde zu verkrampfen. An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass es keineswegs nur ein Anfängerproblem ist, wenn Barréakkorde auf Dauer schmerzen. Je nach Saitenlage und Saitenspannung des Instrumentes und je nach Lage belastet die Handhaltung bei Barrégriffen Muskulatur und Sehnen so sehr, dass ein dauerhafter Gebrauch schmerzt und sogar zu Verletzungen führen kann. 
Der Anfänger, der meist auch nicht das hochwertigste Instrument hat, verliert in F- oder Bb-Dur definitiv den Spaß am Spielen. 


Zweitens: Mit dem Kapodaster kann man die Mensur auf ein Maß verkürzen, das die Ergonomie verbessert und die richtige Spieltechnik vereinfacht. Gemeint ist, dass man die I.Lage vorverlegen kann. Dadurch kann die linke Hand in idealer klassischer Haltung (saitenwärtig) greifen, ohne im Handgelenk einknicken zu müssen. Die Grundgelenkreihe der Finger ist natürlicherweise parallel zum Gitarrenhals, denn Arm und Hand sind so nah am Körper wie  im Normalzustand, z.B. beim Gehen. Sofern man die Gitarre auf dem rechten Bein lagert, gilt das nicht in dem Maße, denn dann ist der Hals sowieso weiter nach rechts verschoben, demzufolge auch die I. Lage. Über die Gründe, diese Haltung nicht im Anfangsunterricht zu verwenden, schreibe ich später noch einen Beitrag.


Ich habe auch schon billige Instrumente gesehen, die eine ziemlich hohe Saitenlage hatten, welche im Sattel korrigiert werden müsste. Solange man nicht den Gitarrenbauer oder den interessierten Heimwerker beauftragen will, kann ein Kapodaster im ersten oder zweiten Bund die Spielbarkeit deutlich erhöhen. Das gleiche gilt für schiefe Hälse im unteren Bereich. Bevor hunderte Euro für ein neues Instrument bereitgestellt sind, hilft erstmal der Kapodaster für maximal 15 Euro weiter.
Manchmal kommen Kinder mit einer zu großen Gitarre in den Anfangsunterricht. Wenn der Korpus nicht viel zu groß ist, kann auch hier der Kapodaster einen Kompromiss ermöglichen. Je nach Größe und Wachstum des Kindes gehe ich dann von der 5.Lage schrittweise nach unten. 

Der Kapodaster für den Fortgeschrittenen

Der Kapodaster vereinfacht nicht nur das Spielen, sondern er schafft auch neue Möglichkeiten für den erfahrenen Spieler. Es ist klanglich reizvoll, Leersaitenakkorde in einer höheren Lage zu spielen. Je höher die Lage, desto ähnlicher wird der Klang einer Ukulele oder bei Stahlsaiten einem Banjo. Wenn man in diesen hohen Lagen diese Griffe mit Barré erzeugen würde (was oft nicht leicht ist), dann würden sie dennoch etwas anders klingen. 
Die fehlende Tiefe der Basssaiten ist fraglos ein Nachteil beim Einsatz des Kapodasters - speziell im Solospiel mit Fingern. Das leitet über zu der "teilweisen" Verwendung eines Kapodasters - z.B. nur auf den oberen 4 Saiten. Würde man den Kapodaster z.B. im zweiten Bund auf die oberen 4 Saiten setzen, entstünde bei Leersaitenanschlag ein A6-Akkord, was einer typischen Stimmung für den Einsatz eines Bottlenecks nahe käme. Oder man stimmt die tiefe E-Saite um einen Ton auf D und befestigt den Kapodaster auf den oberen 3 Saiten im 2.Bund. Die leeren Saiten der Gitarre ergeben so einen D-maj7-Akkord. Die klanglich immer vorteilhaften Leersaitenakkorde in höheren Lagen ergeben so ganz neue Harmonien. 
Wer sensibel für Tonarten und Tonhöhen ist, wird auch feststellen, dass Stücke einen halben Ton höher irgendwie anders klingen können - oft besser, manchmal schlechter. Und da meine ich nicht die Stimmlage eines Sängers, sondern den Gitarrenklang an sich. Schon allein die mit zunehmender Tonhöhe konsonanter klingenden Intervalle liefern Argumente. Ein Durakkord mit großer Septime z.B. klingt ein paar Halbtöne höher besser als in der ersten Lage. Je tiefer die Septime im Akkord liegt, desto schwerer fällt es ins Gewicht. Manchmal liegt das Geheimnis der besseren Lage auch in der Gitarre selbst, z.B. in spezifischen Resonanzen.     
Einen Tipp für fette Akustik-Rhythmusgitarren habe ich mal irgendwo im Netz aufgeschnappt: Einfach alle Parts mit Kapodaster im 12.Bund ein zweites Mal einspielen und dazumischen. Das Ergebnis kommt einer 12-String-Gitarre nahe.
Praktisch gesehen kann der Kapodaster auch in gewissem Umfang wie eine Transpositionstaste am Piano eingesetzt werden. Solche Situationen kennt jeder Gitarrist, der auf Sessions mit Sängern zusammen spielt, die notierte Originaltonarten für sich angepasst haben.  

Fazit: Der Kapodaster ist für mich mittlerweile ein fester Bestandteil des Inventars. Im Unterricht, beim Singen und Begleiten, beim solistischen Experimentieren und auch beim Einspielen von Rhythmusgitarren. Ich würde ihn mehr vermissen als ein Plektrum. 

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